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 Hallo liebe Familie Lüders, ich bin Biju aus Nepal

 

Hintergrundinformationen über Biju

Bijus Familie gehört zur indigenen Volksgruppe der Chepang. Innerhalb der über 100 Volksgruppen in Nepal, gibt es 59 indigene Gruppen. Gemäß der letzten Volkszählung 2011 sind die Chepang mit rund 68.000 Einwohnern nicht nur zahlenmäßig eine der am stärksten marginalisierten indigenen Gemeinschaften in Nepal und auch eine der am stärksten von der Covid-19-Pandemie betroffenen. Sie sind eine indigene tibeto-burmanische Gruppe von Menschen aus den südzentralen Regionen Nepals. Ihre Dörfer konzentrieren sich im Wesentlich innerhalb der Grenzen von vier Distrikten – Gorkha, Dhading, Makwanpur und Chitwan. Die Chepang führen seit vielen Generationen einen halbnomadischen Lebensstil. Ein Großteil von ihnen arbeitet auf den Feldern und in den Haushalten anderer Menschen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Andere spezialisieren sich auf Fischen, Jagen, das Fangen von Vögeln und Sammeln wilder Knollen aus dem Dschungel. Die Chepang haben eine der höchsten Analphabetenraten und den niedrigsten Zugang zu grundlegenden Bedürfnissen wie Trinkwasser, Strom, Bildung und Gesundheitsversorgung. Da die Subsistenzlandwirtschaft, von der die meisten von ihnen abhängen, nicht genügend Nahrung für ein Jahr produziert, überleben die viele von ihnen mit zusätzlichem Einkommen als Tagelöhner. Die meisten Chepangs besitzen nicht das Land, auf dem sie seit Generationen leben. Trotzdem haben sie nie versucht, in Dörfer zu ziehen. Die Mehrheit der Chepang-Familien praktiziert jedoch immer noch Brandrodung, was das Problem der Landerosion und Erdrutsche verschärft. Die Chepang sind sich der Erdrutschgefahren bewusst, wissen aber meist nicht, was sie verursacht und wie man sie verhindern kann. Sie leiden unter mangelnder Arbeitsplatzsicherheit, was sie für Menschenrechtsverletzungen besonders anfällig macht, die aufgrund der Marginalisierung dann häufig übersehen werden. 

Sie selbst folgen dem Animismus, obwohl sie sowohl vom Hinduismus als auch vom Buddhismus stark beeinflusst sind, durch die Volksgruppe der Tamang, nördlich von ihnen. Sie feiern alle hinduistischen Feste von Dashain, Tihar und Sakrantis außer ihrem eigenen Stammesfest Nwagi oder Chhonam, das an einem Dienstag in der dritten Woche von Bhadra (eines Tages im August und September) aufgeführt wird. Chhonam ist der günstigste Tag, um die neue Ernte zu feiern. Vor der Feier dieses Festivals ist das Essen bestimmter landwirtschaftlicher Produkte verboten. Bei der 5. Nationalen Versammlung von Chepang im Jahr 2004 wurde angegeben, dass sie Prakriti (Natur) praktizierten, wobei die Ahnenverehrung am wichtigsten war. Sie verehren viele Gottheiten, wie beispielsweise Bhumi, Aita Bare, Gaidu, Namrung (Erdgottheit). Mit etwa 7,5% ist ein signifikant höherer Anteil der Chepang christlich, als der nationale Durchschnitt von etwa 1,5%.

Ihre Sprache ist als Chepang bekannt, wird aber von den Menschen selbst Chyo-Bang genannt. Sie werden manchmal auch “Praja” genannt, was “politische Subjekte” bedeutet. Diese Bezeichnung geht auf König Mahendra zurück und hat sogar dazu geführt, dass einige Chepang heute offiziell den Nachnamen Praja in ihren Dokumenten besitzen. Die Menschen sprechen drei verschiedene Dialekte dieser tibeto-burmanischen Sprache, die eng mit Raute und Raji verwandt sind, zwei undokumentierten Sprachen, die in Westnepal gesprochen werden. Die Chepang-Sprache ist eine der wenigen Sprachen, die anstelle der Dezimalzahl (Basis 10) ein duodezimales Zählsystem (Basis 12) verwendet.

Die Familie war schon immer sehr arm. Als Angehörige der Chepang sind sie unmittelbar Betroffene des Kreislaufs aus Armut und Bildungslosigkeit. Die Chepang leben in den meisten Fällen noch unter  mittelalterlichen Bedingungen, geographisch und zivilisatorisch weitgehend isoliert, oft auch ohne Elektrizität. Auch ihre Bräuche und sozialen Regeln haben sich über die Jahrhunderte kaum verändert. So ist es auch heute noch fast schon Normalität, dass Mädchen weit vor ihrem 18. Lebensjahr verheiratet werden, obwohl dies eigentlich ein klarer Verstoß gegen die gesetzlichen Regelungen zur Kinderheirat ist. Bijus Mutter ist verstorben als Biju 18 Monate alt war. Sie litt schon seit mehreren Jahren an einer Nierenerkrankung, deren Behandlungskosten sich die Familie nicht leisten konnte. Auch das Geld für Medikamente, die sie eigentlich gebraucht hätte, war nicht vorhanden. Ohne Behandlung starb sie sehr bald nach Bijus Geburt. Ihr Vater Janak Chepang arbeitete schon damals als Hilfsarbeiter. Das bedeutet, dass er jegliche Form von körperlicher Arbeit annimmt, die er angeboten bekommt. In den Bergregionen Nepals sind dies meist Tätigkeiten wie das Tragen schwerer Lasten von einem Ort zum anderen, Mitarbeit auf Baustellen oder auch Feldarbeit. Etwa drei bis vier Stunden von ihrem zuhause entfernt befindet sich eine Hängebrücke, die über den Gandaki River hinweg zum anderen Ufer führt, wo sich die kleine Siedlung Phisling befindet. Dort hindurch läuft eine der wichtigsten Straßen des Landes. Einige Menschen aus der Region, in der Biju lebt verkaufen dort Obst und Gemüse, das sie in den Bergen anbauen. Gleichzeitig werden dort Lebensmittel, Baumaterialien und andere Dinge über die Brücke in die Berge getragen. Seit Jahrzehnten arbeiten viele Chepang-Männer als Träger hier an dieser Brücke. Den ganzen Tag lang tragen sie schwere Lasten von einer Seite auf die andere. Dafür erhalten sie normalerweise 5-10 Rupien. So kommen sie an geschäftigen Tagen manchmal auf 200 Rupien, etwa 1,50 Euro. Auch Bijus Vater wartet hier häufig auf Arbeit. Da der Weg dorthin sehr lang und auch nicht ungefährlich ist, bleibt er oft tagelang dort und ist nicht zuhause. Deshalb lebt Biju alleine bei ihrer Großmutter Gau Maya. Ihr Großvater Bir Bahadur ist vor wenigen Jahren verstorben. In guten Monaten hat die Familie ein Einkommen von 3.000 bis 4.000 Rupien, etwa 25 Euro. Es gibt aber auch Zeiten, an denen es kaum Arbeit gibt und selbst das Essen nicht ausreicht für zwei Mahlzeiten am Tag. Ähnlich ist es mit der Schule. Biju besitzt kaum Schulmaterialien, keinen Schulrucksack, keine Schuluniform, keine warme Kleidung. Der Weg in die Schule führt durch den Dschungel, im Sommer ist es heiß und regnet während des Monsoons tagelang sehr heftig. Kleidung und vor allem die Schulsachen werden naß und können nicht einfach so ersetzt werden. Im Winter ist es in den kahlen Schulräumen ohne Fensterscheiben und Heizung sehr kalt. Kinder ohne warme Kleidung frieren und sind häufig krank, wobei die Behandlung dann wiederum ein Problem darstellt. Ein Problem der Erreichbarkeit einer Gesundheitseinrichtung, die mehrere Stunden Fußmarsch entfernt sind. Zum anderen natürlich auch ein finanzielles Problem, denn jede Untersuchung und jede Behandlung muss unmittelbar bezahlt werden. Wer kein Geld hat, kann sich nicht untersuchen oder behandeln lassen. Dies sind einige der Gründe, weshalb sie bislang kaum in die Schule geht. Manchmal arbeitet sie aber auch mit ihrer Großmutter auf dem Feld, um etwas zu essen zu haben.

Biju wird im März 10 Jahre alt. Dank Ihrer Patenschaft konnte sie nun für das kommende Schuljahr angemeldet werden, in der zweiten Klasse. Auch dies zeigt uns wie schlimm die Situation bislang war. Ohne die Unterstützung im Rahmen der Patenschaft wäre es ungewiss, ob sie jemals wieder die Schule besucht hätte. Entgegen des gesetzlichen Verbots heiraten Kinder in diesen Verhältnissen nicht selten sehr jung mit 14 oder 15 Jahren, auch heute noch und insbesondere unter den Chepang. Der Grund ist fast immer der Druck durch Armut. Bildung hat unter diesen Bedingungen meist keine Priorität gegenüber den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens und es fehlt auch nicht selten das Verständnis für die Bedeutung von Bildung für das zukünftige Leben. Je älter die Kinder werden, umso schwieriger wird es für arme Familien die Kosten für die Schule zu finanzieren. Auch wenn die Regierung die Vorgabe gibt, dass staatliche Schulen kostenlos sein sollen, versuchen viele Schulen zusätzliche Unterrichtsfächer anzubieten, um ein annähernd vergleichbares Bildungslevel, wie die privaten Schulen zu erlangen. Fächer wie Science oder fortgeschrittenes Englisch sind durch das staatliche Budget nicht abgedeckt, aber eine Voraussetzung für einen Schulabschluss auf dem Niveau der 10. oder 12. Klasse. Daher müssen viele Schulen diese Kosten über Gebühren für solche Fächer decken. Das führt zu einer zweiten Ebene der Diskriminierung innerhalb des staatlichen Bildungssystems, neben der zwischen privaten und staatlichen Schulen. Kinder wie Biju haben unter diesen Bedingungen keine Chance auf einen Schulabschluss und der Druck durch die Armut und den Hunger ist groß, weshalb die Zahl der arbeitenden Kinder in Nepal, trotz des offiziellen Verbots, so hoch ist. Kinder und Jugendliche sind natürlich ungelernte Arbeitskräfte und arbeiten deshalb meist auf den Feldern, auf Baustellen, als Geldeinsammler in Bussen oder als Tellerwäscher. Mädchen werden vor allem deshalb sehr früh verheiratet. Die Diskriminierung aufgrund der Kaste und der Armut ist aber signifikant stärker ausgeprägt als die, aufgrund des Geschlechtes. Gemeinsam mit den Pateneltern leisten wir einen wirkungsvollen Beitrag, um dies bereits in den Schulen zu verändern. Dafür ist eine der Voraussetzungen, dass Kinder einigermaßen vergleichbare Bedingungen haben und nicht von Beginn an aufgrund ihrer Armut benachteiligt sind und der frühzeitige Schulabbruch vorprogrammiert ist.

Liebe Familie Lüders, Ihre Patenschaft, wird das Leben von Biju von nun an spürbar verändern. Sie wird zukünftig ausreichend zu essen und klimagerechte Kleidung haben. Darüber hinaus erhält sie medizinische Betreuung und eine Krankenversicherung, die Untersuchungen und Behandlungen für sie und auch ihre Großmutter und ihren Vater (inkl. Medikamente) abdeckt, sowie eine intensive und vor allem individuelle Betreuung innerhalb ihres eignen Umfeldes. Die Betreuung der Kinder und Familien hat eine sehr große Bedeutung. Es genügt unserer Auffassung nach nicht alleine die materiellen Voraussetzungen für eine gesunde Entwicklung oder für den Schulbesuch zu schaffen. Wenn mit Hilfe einer Patenschaft die Entwicklung wirksam und wirklich nachhaltig gefördert werden soll, sollte die Patenschaft in ein gesamtheitliches Konzept eingebettet sein. Unser Kinderschutz- und Entwicklungsnetzwerk, in dem das Kind im Zentrum steht, bezieht das direkte und erweiterte Umfeld in den Entwicklungsprozess mit ein. Dabei geht es um den Schutz der Kinder vor Gewalt, Missbrauch und Ausbeutung einerseits. Ebenso um die Schaffung sozialer und ökonomischer Entwicklungschancen für das Kind und dessen direktes Umfeld. Dadurch werden auch Abhängigkeiten beispielsweise durch eine Patenschaft auf ein Minimum reduziert. Darin einbezogen sein sollte aber auch das erweiterte Umfeld, also die Community in der die Kinder leben, beispielsweise die Dorfgemeinschaft.

Hinsichtlich des Kinderschutzes geht es vor allem um Aufklärung, Prävention und Observation, den Schutz vor körperlicher und emotionaler Misshandlung, um eine gewaltlose Erziehung zuhause und in den Schulen, den Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung ohne Diskriminierung aufgrund von Armut oder der ethnischen Zugehörigkeit, um nur einige Beispiele zu nennen. Die Schulung und Fortbildung aller unserer Mitarbeiter vor Ort in Nepal aber auch in Deutschland ist eine grundlegende Voraussetzung. Ebenso die Aufklärung der Menschen im Umfeld der Kinder. In erster Linie der Eltern, aber auch der Lehrer, Dorfbewohner und Regierungsvertreter. Notwendig sind auch festgelegte Strategien zur Überwachung, Mitteilung, Evaluation und Intervention, in Anpassung an den kulturellen Rahmen und die individuellen Gegebenheiten vor Ort.

Dieses multimodale Konzept ist nicht nur von grundlegender Bedeutung für alle Aspekte der Entwicklung der Kinder. Es schaftt darüber hinaus die notwendigen Rahmenbedingungen, damit eine Patenschaft zum Erfolg werden kann. Zudem ist es Teil unserer Gesamtstrategie der Entwicklungsförderung. In Gorkha leben sehr viele Menschen in großer Armut. Die Möglichkeiten der ökologischen Landwirtschaft beispielsweise eignen sich hier besonders gut, um die Wirtschaftskraft und die Unabhängigkeit der Menschen von Entwicklungsförderung zu stärken. Wir möchten auch Ihnen als Pateneltern in dieser Region zukünftig stärker die Möglichkeit geben sich hierbei aktiv zu beteiligen, wenn Sie dies möchten.

Koordiniert und kontrolliert wird dies einerseits natürlich durch Bijus Betreuer vor Ort, Ram Babu Gurung im täglichen Kontakt mit den Kindern. Darin einbezogen ist ebenfalls die für diese Region innerhalb des Distrikts Gorkha zuständige Mitarbeiterin in unserem Büro in Nepal, Susmita Gurung. Insbesondere auch das Team unseres Kinderschutz- und Entwicklungsnetzwerks, bestehend aus Mitarbeitern in Deutschland und Nepal, sowie eine Task Force, die die Aufgabe hat sich beispielsweise gesundheitlicher oder schulischer Probleme anzunehmen. Im Rahmen der Entwicklungsprojekte ist unser Projekt-Management Team ebenfalls involviert. Durch diese intensive, individuelle Betreuung und Förderung bewirkt die Patenschaft also weit mehr, als nur die dringend notwendige materielle Unterstützung.

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