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 Liebe Familie Hochgrebe, ich bin Tila aus Nepal

Hintergrundinformationen über Tila, Khim und Hum Maya

Ihre Familie gehört der indigenen Volksgruppe der Magar an. Aslami Magar ist ein nepalesischer Familienname, der innerhalb der Magar verbreitet ist. Zur Unterscheidung der unterschiedlichen Gruppen der Magar werden diese Bezeichnungen vorangestellt (zum Beispiel in der Form “Thapa Magar” oder “Rana Magar”). Die Magar sind eine der ethno-linguistischen Voksgruppen, die laut Volkszählung von 2011 etwa 7 % der Gesamtbevölkerung Nepals repräsentieren. Erstmals schriftlich wurden die Magar in der Zeit um 1100 n.C. erwähnt. Ihre angestammte Heimat erstreckt sich vom westlichen und südlichen Rand des Dhaulagiri-Gebietes des Himalaya bis zu den Mahabharat-Ausläufern im Süden und dem Kali Gandaki Flussbecken im Osten. In ihrer Herrschaftszeit gründeten sie ihre eigenen Königreiche im alten Nepal: das Bara Magaranth (12 Magar Königreiche) östlich des Gandaki Flusses gelegen, sowie des Athara Magaranth (18 Magar Königreiche) westlich vom Gandaki Fluß genannt wird. Diese Gebiete werden heute von ihnen bevölkert. Von den etwa zwei Millionen Magar in Nepal sprechen fast achthundert tausend eine der Magar-Sprachen als Muttersprache. Die meisten der anderen (vor allem junge Menschen) sprechen Nepali als Muttersprache. Ebenso wie bei anderen Volksgruppen in Nepal, die ihre eigene Muttersprache sprechen, hilft dies einerseits die Verständigung innerhalb der Gesellschaft deutlich zu verbessern. Andererseits aber führt es allmählich zum Aussterben dieser alten Sprachen. Landwirtschaft und Militär sind heutzutage die Haupteinnahmequellen. Die Magar stellen auch die größte Anzahl von Gurkha-Soldaten außerhalb Nepals. 

Die Mädchen leben mit ihren beiden Brüdern und ihrer Mutter in einem kleinen Häuschen in den Bergen am nördlichen Ende des Distrikts Nawalpur, am Fuße des Himalaya in der Übergangszone zum Terai, dem tropischen Flachland. Ihre Familie war schon immer sehr arm, wodurch sie unmittelbar betroffen der Armutsfalle sind, dem Kreislauf aus Armut, mangelnder körperlicher und geistiger Entwicklung, sowie schlechter Bildung. Diese Faktoren begünstigen sich gegenseitig und setzen sich ohne wirksame Impulse von außen in den meisten Fällen auch in den folgenden Generationen fort. Die Familie besitzt kein eigenes Feld, auf dem sie Landwirtschaft betreiben und Reis anbauen könnten, sodass es sie ernähren würde. Bis Anfang 2020 etwa war die Familie im Prinzip obdachlos, da sie kein eigenes Haus hatten und sich die Untermiete in anderen Häusern nicht leisten regelmäßig leisten konnten. Sie waren somit vom Wohl anderer abhängig, wenn es darum ging, ob sie ein Dach über dem Kopf haben oder nicht. Ihr Vater und ihre Mutter arbeiteten jeden Tag in der Woche, meist von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang als Hilfsarbeiter auf Baustellen oder als Feldarbeiter, um die Familie ernähren und die Kinder in die Schule schicken zu können. Anfang 2020 bauten einige Menschen in der Region mit Hilfe der lokalen NGO Janata Awas ein kleines Häuschen für die Familie, in dem sie zukünftig wohnen können. Es ist nicht sehr groß und es besteht nur aus den Wänden, aber immerhin haben sie nun ein zuhause und ihr eigenes Dach über dem Kopf.

Mitte 2020 kam es dann leider zu einem schweren Schicksalsschlag, als der Vater der Kinder plötzlich starb. Man fand ihn leblos auf einer Baustelle, auf der er als Hilfsarbeiter arbeitete. Was die Todesursache war konnte vor allem aus finanziellen Gründen nicht untersucht werden, wurde aber auch erschwert durch hinduistische Regeln im Zusammenhang mit dem Tod eines Angehörigen (wobei viele Volksgruppen, wie auch die Magar hier zusätzliche eigene besondere Verhaltensregeln haben). Seit dem Tod des Vaters muss ihre Mutter alleine für die fünf Kinder sorgen, was nachvollziehbarerweise unter den Bedingungen dort sehr schwer, eigentlich unmöglich ist. Hinzu kam auch noch der zwischen März 2020 und August 2021 fast durchgängige Lockdown, der dazu geführt hat, dass es in dieser Zeit so gut wie keine Arbeit mehr für Menschen auf Tagelohnbasis gab. Dies erholt sich jetzt langsam wieder. In dieser Zeit musste die Familie aber natürlich trotzdem von etwas leben und so hat ihre Mutter damit begonnen Hühner zu züchten und diese zu verkaufen. Das klingt einfacher als es ist, denn zunächst einmal muss man etwas investieren in die Tiere, die Medikamente, das Tierfutter und ähnlichem. Sie haben nicht viele Hühner und das Einkommen ist sehr gering. Aber es ist besser als nichts. Zum Überleben reicht es alleine aber nicht und den Schulbesuch für alle Kinder kann ihre Mutter davon auch nicht finanzieren. Zunehmend Alltag ist es deshalb leider, dass die Kinder gemeinsam oder abwechselnd immer wieder tagsüber insbesondere bei der Feldarbeit in der Region helfen, Gras als Tierfutter ernten oder Feuerholz sammeln, um es zu verkaufen, anstatt in die Schule zu gehen. Insbesondere dann, wenn das Essen nicht ausreichend ist oder sie keine Schulsachen haben, ist dies für sie oft die einzige Möglichkeit kurzfristig ein paar Rupien zu verdienen. Die kleineren Kinder gehen zwar noch in die Vorschule und brauchen deshalb noch nicht so viele Dinge für die Schule. Wenn es aber in den Wintermonaten kalt ist und sie keine warme Kleidung haben, frieren sie, da Schulen in Nepal keine Heizung haben. Das gilt natürlich auch für die älteren Kinder. Sie sind dann häufiger krank, was wiederum ein finanzielles Problem darstellt, denn es gibt in Nepal keine allgemeine Krankenversicherung. Eine medizinische Versorgung kann sich die Familie nicht leisten, da diese nicht kostenfrei und aufgrund der Geographie zudem sehr schwer zugänglich ist, wodurch weitere Probleme und Kosten entstehen. Sie wird im Wesentlichen aufrechterhalten durch kleine sogenannte Health Posts, die in größeren Abständen über die Bergregionen verteilt sind. Generell sind Krankenversicherungen noch weitgehend unbekannt und zumindest die 30-40% der Menschen, die wie die Familie unterhalb der nationalen Armutsgrenze (etwa 80 Cent pro Tag) leben, können sie sich ohnehin nicht leisten. Häufig fehlt auch das Verständnis für den Sinn einer Krankenversicherung, was etwas nachvollziehbarer wird, wenn man von der Hand in den Mund lebt und man jeden Tag dafür kämpfen muss überhaupt satt zu werden. Zusammen verdient die Familie durchschnittlich über das Jahr verteilt etwa 2.000 bis 5.000 Rupien im Monat (ca. 15 bis 36 Euro), je nachdem wieviel Arbeit sie haben und wie gut die Hühnerzucht sich entwickelt. Andere Einkommensquellen gibt es, wie beschrieben praktisch nicht. Die Corona-Pandemie und insbesondere der Lockdown, haben die Möglichkeiten weiter reduziert, vermutlich längerfristig, da das gesamte Land dadurch in seiner wirtschaftlichen, gesundheitspolitischen und sozialen Entwicklung Schätzungen der Regierung zufolge, um etwa zehn Jahre zurückgeworfen wurde. Mit besonders harten Konsequenzen für die ärmsten und marginalisierten Volksgruppen in der Gesellschaft. Ebenso ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass auch Kinderheirat oder gar Kinderhandel, ähnlich wie nach den verheerenden Erdbeben 2015 wieder zunehmen werden. 

Auch wenn die Regierung die Vorgabe macht, dass staatliche Schulen kostenlos sein sollen, versuchen viele Schulen zusätzliche Unterrichtsfächer anzubieten, um ein annähernd vergleichbares Bildungslevel, wie die privaten Schulen zu erlangen. Da allerdings das staatliche Budget der Schulen dafür nicht ausreicht, müssen die Schulen diese Kosten über Gebühren für diese Fächer decken. Das führt zu einer zweiten Ebene der Diskriminierung innerhalb des staatlichen Bildungssystems, neben der zwischen privaten und staatlichen Schulen. Kinder wie Tila, Khim Hum Maya und ihre beiden Brüder Anil und Hem Bahadur haben unter diesen Bedingungen im Prinzip kaum eine Chance auf einen Schulabschluss und der Druck durch die Armut und den Hunger ist groß, weshalb die Zahl der arbeitenden Kinder in Nepal, trotz des offiziellen Verbots, so hoch ist. Kinder und Jugendliche sind natürlich ungelernte Arbeitskräfte und arbeiten deshalb meist auf den Feldern, auf Baustellen, als Geldeinsammler in Bussen oder als Tellerwäscher. Für Jungs aus Nepal, die keinen Schulabschluss und keiner weiterführende Bildung haben, ist heutzutage oft die einzige Zukunftsperspektive für sich und ihre Familie, einen Job im Ausland zu finden. Es haben sich viele sogenannte Manpower Companies entwickelt, die junge Nepalesen als kostengünstige Arbeitskräfte in die arabischen Länder wie VAE, Katar, den Oman oder Saudi-Arabien vermitteln, aber auch nach Indien oder Malaysia, wo es neben menschenverachtender Ausbeutung immer wieder auch zu gewalttätigen Übergriffen gegen sie kommt. Die Nepalesen sind ein hart arbeitendes und fleissiges Volk, Zehn- oder fünfzehnstundentage sind völlig normal. Das Problem ist vielmehr, dass die Gehälter für nicht ausgebildete Menschen viel zu niedrig sind, um davon eine Familie ernähren zu können. Für Mädchen ist es leider auch noch Realität, dass viele weit vor ihrem achtzehnten Lebensjahr verheiratet werden, wobei auch die Jungs dann in der Regel zwar etwas älter, aber oft ebenfalls noch minderjährig sind. Hierbei ist sehr häufig der wirtschaftliche Druck der entscheidende Antrieb dahinter und selten eine religiöse oder kulturelle Motivation. Es geht für uns bei unserer Arbeit neben der Ausbildung der Kinder entsprechend ihren individuellen Talenten und Fähigkeiten auch darum, zukunftsfähige Qualifikationen zu ermöglichen, damit sie die Möglichkeit erhalten, diese in ihrem Land zur Geltung zu bringen und nicht in einem der oben genannten Länder. Hierzu müssen individuelle und strukturelle Voraussetzungen gleichermaßen gegeben sein oder geschaffen werden.

Liebe Frau Gooßmann, Ihre Patenschaft, wird das Leben von Huma Maya, Tila und Khim von nun an spürbar und nachhaltig verändern. Wir sind sehr froh darüber, denn die drei Mädchen werden zukünftig regelmäßig die Schule besuchen können und ausreichend zu essen haben. Darüber hinaus erhalten sie eine Krankenversicherung, die viele Untersuchungen und Behandlungen (inkl. Medikamente) in staatlichen Krankenhäusern abdeckt, sowie eine intensive und vor allem eine individuelle Betreuung innerhalb seines eigenen familiären Umfeldes. Die Betreuung der Kinder und Familien hat eine sehr große Bedeutung. Es genügt unserer Auffassung nach nicht alleine die materiellen Voraussetzungen für eine gesunde Entwicklung oder für den Schulbesuch zu schaffen. Wenn mit Hilfe einer Patenschaft die Entwicklung wirksam und wirklich nachhaltig gefördert werden soll, sollte die Patenschaft in ein gesamtheitliches Konzept eingebettet sein. Unser Kinderschutz- und Entwicklungsnetzwerk, in dem das Kind im Zentrum steht, bezieht das direkte und erweiterte Umfeld in den Entwicklungsprozess mit ein. Dabei geht es um den Schutz der Kinder vor Gewalt, Missbrauch und Ausbeutung einerseits. Ebenfalls von Bedeutung ist die Schaffung sozialer und ökonomischer Entwicklungschancen für das Kind und dessen direktes Umfeld. Dadurch werden auch Abhängigkeiten beispielsweise durch eine Patenschaft auf ein Minimum reduziert. Darin einbezogen sein sollte aber auch das erweiterte Umfeld, also die Community, in der das Kind lebt, beispielsweise die Dorfgemeinschaft.
 
Hinsichtlich des Kinderschutzes geht es vor allem um Aufklärung, Prävention und Observation, den Schutz vor körperlicher und emotionaler Misshandlung, um eine gewaltlose Erziehung zuhause und in den Schulen, den Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung ohne Diskriminierung aufgrund von Armut oder der ethnischen Zugehörigkeit, um nur einige Beispiele zu nennen. Die Schulung und Fortbildung aller unserer Mitarbeiter vor Ort in Nepal aber auch in Deutschland ist eine grundlegende Voraussetzung. Ebenso die Aufklärung der Menschen im Umfeld der Kinder. In erster Linie der Eltern, aber auch der Lehrer, Dorfbewohner und Regierungsvertreter. Notwendig sind auch festgelegte Strategien zur Überwachung, Mitteilung, Evaluation und Intervention, in Anpassung an den kulturellen Rahmen und die individuellen Gegebenheiten vor Ort.
 
Dieses multimodale Konzept ist nicht nur von grundlegender Bedeutung für alle Aspekte der Entwicklung der Kinder. Es schafft darüber hinaus die notwendigen Rahmenbedingungen, damit eine Patenschaft zum Erfolg werden kann. Zudem ist es Teil unserer Gesamtstrategie der Entwicklungsförderung. In dem Distrikt Nawalpur, in dem die Familie lebt, leben sehr viele Menschen in großer Armut. Die Möglichkeiten der ökologischen Landwirtschaft beispielsweise eignen sich hier besonders gut, um die Wirtschaftskraft und die Unabhängigkeit der Menschen von Entwicklungsförderung zu stärken. Wir möchten auch Ihnen als Pateneltern in dieser Region zukünftig stärker die Möglichkeit geben sich hierbei aktiv zu beteiligen, wenn Sie dies möchten.
 
Koordiniert und kontrolliert wird dies einerseits natürlich durch ihre Betreuerinnen vor Ort, Nirmala Thapa und Beni Maya Kumal im täglichen Kontakt mit den Kindern. Darin einbezogen ist ebenfalls die für den Distrikt zuständige Mitarbeiterin in unserem Büro in Nepal, Kalpana Gurung. Insbesondere auch das Team unseres Kinderschutz- und Entwicklungsnetzwerks, bestehend aus Mitarbeitern in Deutschland und Nepal, sowie eine Task Force (Case Management), die die Aufgabe hat sich beispielsweise gesundheitlicher oder schulischer Probleme anzunehmen. Im Rahmen der Entwicklungsprojekte ist unser Projekt-Management Team ebenfalls involviert. Durch diese intensive, individuelle Betreuung und Förderung bewirkt die Patenschaft weit mehr als allein die dringend notwendige materielle Unterstützung.

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